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								GERHARD GUNDERMANN
 Pistole 08
 
 Als ich vierzehn war, fand ich im Keller 'ne "08"
 Die hatte wohl mein Alter aus'm Krieg mit heimgebracht
 Französisches Armeemodell, zwei Stunden rumgepfriemt
 Hab ich, bis ich wußte, wie man das Ding bedient
 
 Drei Tage in der Hosentasche den Colt und bis zum Hals
 Ging der Herzschlag beim Berühren des kalten Metalls
 Der vierte Abend sah mich dann auf meinem langen Weg
 Zwölf Mark, ein Brot, den Atlas und die Pistole im Gepäck
 
 Meine Reiseroute hieß Hamburg-Paris-Saigon
 Doch am Westgrenzenübergang, da hatten sie mich schon
 Deshalb blieb mein Posten bei der FNL noch leer
 Dafür hatte ich 'ne Zelle, und die Nacht war tränenschwer
 
 Seitdem steh ich mit gestutzten Flügeln auf'm Dach
 Starre nachts den Vögeln und den Weltraumschiffen nach
 Eine Hälfte meines Herzens fliegt mit um die Welt
 Die andere Hälfte ist es, die mich hier gefangen hält
 
 Hier in dieser Heimat, die nach Brot und Frieden schmeckt
 Hier, wo man sich müde, doch lebendig schlafen legt
 Hier, wo doch mein Platz im Kampfe wäre, sagt man mir
 Doch man kommt auch ohne Kampf zu Frieden, Brot und Bier
 
 Aber eines Tages schneide ich mein Herz entzwei
 Laß die festgewachsene Hälfte hier und fliege frei
 Lasse, was ich hab und weiß den Tag des Todes schon
 Blute, lach und sing und bin Soldat der Revolution
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