HERBERT GRÖNEMEYER
Artikel und Interview von JOCHEN SCHLIEMANN (Sound-Studio online, 27.04.1998)
Der Playboy sollte ein ganzes Grönemeyer-Sonderheft veröffentlichen!

Sie haben es schon schwer, die treuen Fans von Herbert Grönemeyer. Immerhin sind seit seinem letzten Studioalbum "Cha-
os" schon fünf lange Jahre ins Land gezogen. Und jetzt, da das neue Werk "Bleibt alles anders" in den Läden steht, heißt es
auch noch, der Deutschrocker habe sich entfernt von seinen Wurzeln, einen Programmierer auf das neue Material losgelas-
sen, höre nur noch Drum'n' Baß, und im Ruhrgebiet wohnt er ja sowieso schon lange nicht mehr. "Was soll das?" fragt man
sich da doch. Aber keine Angst, alles wird gut, oder in den Worten des Künstlers "Bleibt alles anders". Im Mai startet Her-
bert Grönemeyer seine Deutschlandtournee, vorher nahm er sich noch Zeit, über sein neues Album zu sprechen, verriet, was
er von Guildo Horn hält und revidiert die Gerüchte um seine vermeintlichen Nacktfotos für den "Playboy".

Ausgerechnet Herbert Grönemeyer ist raus aus dem Ruhrgebiet und nach Berlin gezogen. Warum?

Es war Zeit für eine Neuorientierung. Die neun Jahre zwischen "Bochum" und "Chaos" waren sehr stressig und schnellebig.
Es wechselte sich nur noch Tour mit Platte und Platte mit Tour ab, bis ich schließlich kein klares Ziel mehr erkennen konn-
te. Aus dem Grund bin ich auch von Köln nach Berlin gezogen, was sich im nachhinein als sehr positiv erwiesen hat. Die
Berliner lassen mich einfach in Ruhe machen, was ich will. Ich nenne das liebenswert intolerant. Zum Beispiel bin ich im
letzter Zeit wieder öfter auf Konzerte gegangen. Unter anderem habe ich Roni Size, die Chemical Brothers, Pulp und Metal-
lica gesehen. Von den neuen Musikstilen hat mich wohl am meisten Drum`n´ Baß sowie diese ganzen Bristol-Bands wie
Portishead oder Massive Attack beeinflußt. Es bringt selbst einen so impulsiven und energiegeladenen Menschen wie mich
zum relaxen. Insofern hat die Stadt Berlin auch einen großen Anteil an meiner musikalischen Entwicklung. Sie regt an,
Neues zu probieren - nicht zuletzt, weil man sich blöd vorkommt, wenn man ständig Altes macht.

Was ist neu bei "Bleibt alles anders"?

Ich habe mich auf meine musikalischen Visionen eingelassen, habe mich weiterentwickelt. Ich mußte mal wieder ein Risiko
eingehen, damit ich das Gefühl habe, es verändert sich etwas. Das war ein langwieriger Prozeß. Es brauchte auch lange
Zeit, bis ich den geeigneten Programmierer gefunden hatte. Ende letzten Jahres traf ich dann Alex Silver, der vorher schon
mit Leuten wie Dave Stewart zusammengearbeitet hat. Er war der Richtige, weil er meine Musik mochte und sich auf sie ein-
gelassen hat. Wir waren ein gleichberechtigtes Team, haben beide unsere Ideen einfließen lassen, um sie dann später mit
der Band zu vollenden. Diese Arbeitsweise war sehr effektiv. Das war auch der Grund dafür, daß wir das gesamte Material,
das ich bis dahin für die Platte geschrieben hatte, über den Haufen warfen und von vorne begannen. Lediglich "Nach mir",
"Energie" und "Selbstmitleid" blieben von den alten Sessions übrig. Aufgenommen haben wir dann an verschiedenen Orten,
unter anderem in Wales und in Paris. Es ist ein sehr gutes Gefühl, wenn du nach einem langen Tag aus dem Studio kommst
und es noch etwas interessantes, wie zum Beispiel eine fremde Stadt zu entdecken gibt. Man muß die Sache halt für sich
selber interessant halten.

Demnach ist die erste Single "Bleibt alles anders", zumindest im Bezug auf die Suche nach Veränderung, repräsentativ für
das neue Album
...

Genau. Es geht darum, Eigenverantwortung zu übernehmen, nicht immer alles einfach so zu akzeptieren, wie es ist, und die
Probleme von sich weg zu schieben, worin die Deutschen ja wahre Meister sind. "Nehme Dein Schicksal selbst in die
Hand." Insofern ist das Ganze sicherlich auch eine Botschaft an mich selbst. Wie die Fans mit dieser Veränderung klar-
kommen, wird sich zeigen. Ich kann halt nur etwas machen, von dem ich hundertprozentig überzeugt bin, und nur durch
diesen Fortschritt kann ich für mich und meine Fans attraktiv bleiben.

Werden sich die Songs live umsetzen lassen?

Daran arbeiten wir gerade. Wahrscheinlich werden wir bei den neuen Songs mit Samples arbeiten. Natürlich werden wir auch
wieder viele alte Songs spielen. Außerdem haben wir uns darum bemüht, die Ticketpreise so niedrig wie möglich zu halten.
Aber bei so einer kostspieligen Produktion sind 37 Mark die absolute Untergrenze. Die Band wird dieselbe wie letztes Mal
sein, abgesehen natürlich davon, daß Alex am Keyboard dabei ist.

Wie fühlt man sich, wenn man so lange über seinen Texten brütet und dann jemand wie Guildo Horn oder eine Gruppe wie
Modern Talking dahergerannt kommt und Riesenerfolge feiert?


Das Lied von Guildo kenne ich gar nicht. Die Idee, der "Eurovision" den Spiegel vorzuhalten, finde ich allerdings sehr gut.
Trotzdem halte ich das deutsche Schlagerrevival für erschreckend. Wenn die sogenannten "Intellektuellen" sich jetzt zum
Schlager bekennen, wenn einige Mitt- Vierziger jetzt glauben, sie hätten moderne Musik verstanden, dann treffen wir uns
wirklich auf dem niedrigsten Nenner. Zu Modern Talking kann ich eigentlich nur sagen, daß mich so etwas nicht sonderlich
interessiert.

Was ist dran an dem Gerücht, daß Du Dich für den "Playboy" ausgezogen hast?

Es ist insofern wahr, daß ich nackt in die "Playboy"- Redaktion gegangen bin, weil ich wußte, daß ich sie so überzeugen
kann. Ich sehe nackt sehr gut aus, das kann man nicht anders sagen. So gut sogar, daß ich denke, sie sollten nicht nur drei
Seiten mit mir füllen, sondern ein ganzes Grönemeyer-Sonderheft veröffentlichen. Nein, Quatsch, aber tatsächlich hat der
"Playboy" Interesse bekundet, was mich sehr freut. Schließlich ist es ja auch für mich eine Bestätigung.