HERBERT GRÖNEMEYER
Interview (Fachblatt Musikmagazin 1997)
ZUR LAGE DER NATION

Du bist einer der wenigen überlebenden Musik Dinosaurier in Deutschland. Wie sieht für dich die deutsche Musikszene von
oben herab betrachtet aus?


Ich glaube, die 90er markieren einen Aufbruch. Man macht nicht nur Öko oder Besinnungsrock, sondern es wird vielschich-
tiger, weil die Plattenfirmen merken, daß sie die letzten vier, fünf Jahre verschlafen haben.

Was bekommst du von deutscher Musik mit, und wie informierst du dich?

Viele Sachen bekomme ich geschickt. Von Verlagen oder von Bands, die meine Meinung wissen wollen oder sich vorstellen
möchten, um bei mir im Vorprogramm zu spielen. Dadurch bekomme ich halbwegs was mit.

Die Nachwuchsförderung geht als hauptsächlich über den Tour- Support?

Ich würde sicherlich auch gerne mal eine Band produzieren, aber dafür muß ich mich mal ein Jahr drum kümmern. Nur zu
sagen: Hallo, Tach, wir gehen mal 'nen Kaffee trinken und nächste Woche ins Studio und dann meine erfahrensten Leute
zusammenzutrommeln und denen das aufs Band zu nageln, nützt nichts. Ich denke, jemand ist da ein guter Produzent,
wenn er rauskitzeln kann, was eine Band will, wo sie hin will und was sie interessiert, statt ihr wie 'ne Käseglocke seinen
Stil überzustülpen. Das hieße dann zwar anderes, klänge aber wie Grönemeyer, nur daß ein anderer sänge. Annette Humpe
z. B. ist jemand, die versucht rauszufiltern, was eine Band will.

Dafür muß man sich aber zurücknehmen können und sich konsequent Zeit lassen.

Richtig. Und diese Leute fehlen in Deutschland. Die Qualität eines Produzenten zeigt sich darin, daß er sein eigenes Ego
wegstellen kann. Bei Edo Zanki beispielsweise war es so, daß er wirklich versucht hat, mit mir seinen Stil durchzuziehen.
Schon meine Art zu singen hat ihm nicht gepaßt. Und die Texte hat er erstmal zur Plattenfirma geschickt: "Hier, lesen Sie
sich die mal durch. Ich finde sie furchtbar. Dafür übernehme ich keine Gewähr." Das ist ein großes Problem: Produzenten,
die wahnsinnig viel Respekt vor der Plattenfirma haben. Ein Produzent sollte in meinen Augen ein künstlerischer Anwalt des
Musikers sein, er muß eine Verteidigerposition einnehmen.

Wie kamst du mit dieser Situation klar, ich stelle mir das ziemlich frustrierend vor?

War es auch. Deshalb haben wir uns dann auch getrennt. Ein Produzent muß sich einfach behaupten können. Er muß sa-
gen: "Ich habe was mit dem Künstler produziert, das klingt mörderisch." Auch wenn da 17 A&R-Leute sitzen und sich die
Haare raufen. Diese Span-nung zwischen Plattenfirma und der Arbeit, die man gemacht hat, die ist wichtig. Sobald man eine
Plattenfirma in das Produkt reinläßt, ist es gestorben. Weil sich das kreative Po-tential einer Plattenfirma auf drei Prozent
reduziert. Mit Glück findet man in allen deutschen Compartys einen A&R Manager, der halbwegs weiß, worum es geht. Der
Rest ist reines Marketing: "Wo ist die Single, wo ist der Hit?" Mehr darf man nicht erwarten. Sobald man sie aber reinläßt,
wird es zum Machtspiel: "Jetzt zeigen wir es dem aber mal!" Und davor muß ein erfahrener Produzent eine junge Band
schützen, die noch gar nicht weiß, um was es geht. Er muß die Band künstlerisch vertreten und abschotten gegen Einflüs-
se von außen.

Im Verlaufe unseres Produzenten- Gespräches äußert Paul Grau die Ansicht, daß die amerikanischen A&R- Leute Trends
setzen und mit Visionen arbeiten würden, während hiesige A&Rs froh seien, wenn sie ihren Job behalten. Siehst du das
ähnlich kraß?


Man darf sich im kreativen Teil nicht mit der Plattenfirma einlassen. Diesen Part könnte nur eine Industrie ausfüllen, die
selbstbewußt ist und das ist sie hierzulande aber nicht. Die deutsche Industrie stellt hauptsächlich eine reine Vertriebs-
industrie dar, die in einem gro-ßen Markt englisch- sprachige Platten gut verkaufen kann. Alles, was Kreativität anbelangt, ist
kaum vorhanden. Deshalb darf man denen auch keine Texte zeigen. Von insgesamt vielleicht 200 A&R-Managern gibt es vier
bis fünf, die eine Vision besitzen, der Rest ist unsicher und versucht, sich durch die Intrigen zu lavieren. Genau deshalb fällt
ja dem Produzenten diese wichtige Rolle zu. Auch wenn sich in einer Abhörsitzung alle die Haare raufen, fahrig an den
Zigaretten ziehen und der Chef schon völlig genervt guckt, muß er immer noch sagen: "Ich finde das gut!"

Mit Attitude etwas verkaufen ...

Richtig. Dann sind die nämlich erstmal ...

Irritiert.

Irritiert, ja. Ich erinnere mich noch gut, wie ich hier bei der Electrola das erste Mal mit den ersten beiden Abmischungen von
FLUGZEUGE IM BAUCH und AMERIKA auftauchte ich war damals gerade von der Intercord weg. Die meisten hier dachten
wohl: Grönemeyer, ach Gott, was kommt da? Bei der Abhörung steckten der damalige Marketingchef und Walter Pütz, frü-
her Chef der nationalen Abteilung, die Köpfe zusammen: Verstehste was? Nee. Du? Nee, gar nichts. Also habe ich ihnen
gesagt, okay, ich mische mit Harald Lepschies, dem Toningenieur, neu, und dann hören wir nochmal. Natürlich haben wir
nichts verändert, aber plötzlich strahlten die beiden: Ja, jetzt ... Diese Form der Behauptung muß man lernen. Und diese
Haltung möchten Plattenfirmen einem am liebsten abkaufen; die wollen ungern jemanden mit dieser Attitüde. So etwas ist
man in Deutschland nicht gewohnt.

Liegt darin der Unterschied zum Ausland?

Die Differenz zum Ausland rührt daher, daß wir 20 Jahre zurückliegen. Die deutsche Musikszene hat für mich, grob gerech-
net, Anfang der 70er angefangen, d. h. Rock 'n' Roll gab es schon ca. 15 Jahre. Und diesen 15 Jahren laufen wir hinterher, in
jeder Hinsicht. Nimm beispielsweise den Musikjournalismus es gibt nur wenig, was man wirklich lesen kann. Oder nimm die
Plattenfirmen, denen jahrelang auf die Schulter geklopft wurde, weil sie aufgrund des großen Marktes in der Lage waren, viel
zu verkaufen. Wenn die hier zwei Millionen von Phil Collins absetzen, denken sie gleich, sie wären die Könige dabei haben
sie nichts gemacht außer den Markt bedient, der eh vorhanden ist. Sie haben selbst kreativ gar nichts geleistet. Dieser
Frustmoment ist bei den Plattenfirmen da. Allerdings sollte man nicht immer nur jammern, sondern ich sehe das positiv. Wir
entwickeln uns noch. Es kann eine deutsche Szene geben, aber dazu gehören Leidenschaft und der feste Glauben daran.

Glaubst du, daß es heutige Bands einfacher haben als noch vor 20 Jahren?

Die Künstler werden selbstbewußter, sie wissen mehr und sind aufgeklärter als früher, als man noch blauäugiger an Platten-
firmen ranging. Und bei den Firmen lösen sich Strukturen auf. Sie haben angefangen, die ganze A&R-Arbeit auszulagern,
also nur noch Vertriebsapparat zu sein. Sie kaufen lieber Verlage auf, um diese die Talente suchen zu lassen. Sie haben
eingesehen, daß es bei dem ganzen Überbau gar nicht mehr möglich ist...

... an der Basis zu arbeiten.

Die öden sich dabei eher an. Die gehen in einen Club, sehen sich junge Bands an, und am nächsten Tag heißt es wieder:
"Wir haben heute wieder 35 000 Stück von Bryan Adams verkauft. Was soll ich denn in 'nem stinkigen Club? Wie heißt die
Band?" Oder wenn 'ne neue Band ins Studio kommt, deren Verstärker kaputtgeht. Da sagt der A&R auch: »Mensch, Ihr habt
Probleme .." Dieses Nachvollziehen von Problemen junger Bands, das klafft zu weit auseinander. Die Firmen haben jahrelang
relativ leidenschaftslos mit ihren großen Acts ihre Sollzahlen eingefahren, und jetzt merken sie, daß sich der Markt wieder
auf mehrere Bands aufteilt. Dieses Monopolistische entzerrt sich, die Leute kaufen wieder wesentlich bunter ihre Platten.

Die Familie wächst ...

Ja. Das heißt: Die Firmen merken, daß die Leute verschiedene Stilarten kaufen, und versuchen deshalb, mit neuen Bands
dazwischen zu kommen. Egal welcher Verlag, er wird aufgekauft, auch wenn er nur drei Bands unter Vertrag hat.

Siehst du Viva als positiven Katalysator?

Viva würde ich nicht überbewerten. Wenn man die Geschichte der deutschen Szene betrachtet, wird immer übersehen, daß
die sogenannten dicken Dinosaurier lange Zeit brauchten, bis sie mal fett wurden. Egal, ob Grönemeyer, Westernhagen,
BAP oder Toten Hosen. Ich würde den Plattenfirmen raten, zehn Bands unter Vertrag zu nehmen und den Produktionsetat
so zu teilen, daß sie erstmal drei Platten machen können. So kannst du als junge Band entspannter arbeiten, ohne den
Druck eines Riesenbudgets zu halben. Früher, wenn du nicht wie Grönemeyer klangst, warst du nach der ersten Platte weg
vorn Fenster. Mit solch einem Druck verkrampfst du natürlich im Studio. Wenn Viva eine Facette darstellt, in Form von Mar-
keting und Öffentlichkeit und parallel zu neuen Überlegungen, langfristig an Bands zu arbeiten, finde ich es okay. Aber Viva
ist kein Patentrezept für die Entwicklung einer deutschen Szene, sondern ein Marketingvehikel, das erstmal mit interessan-
ten Sachen gefüttert werden muß was auch Aufgabe von Verlagen und Managern wäre.

Warum gibt es in Deutschland denn so wenige gute Manager?

Für mich existieren klare Fronten. Wir Musiker sind verantwortlich für die künstlerische Seite, und die müssen Management
und Producer wirklich verteidigen. Aber was das Management in Deutschland immer macht und das war z. B. ein Grund,
mich von den Leuten, mit denen ich lange zusammengearbeitet habe, zu trennen , das sind Verlagsdeals hintenrum, jeder
mit jedem eine GmbH, mit dem Plattenboß ...

jeder will alles machen...

...und dann haben sie noch einen Deal mit dem Fernsehsender oder gleich mit dem Unterhaltungschef. Das heißt, daß sie
ihren Künstler gar nicht vertreten können. Die haben das Management für den Künstler, kriegen also 15 Prozent von ihm,
gleichzeitig bekommen sie aber noch 200 000 im Jahr fürs Marketing von der Plattenfirma, Und dann sitzen sie im Meeting,
wo der Plattenboß nur von der Seite gucken muß ... Das hat mit Verantwortung zu tun. Alle Leute müssen mit Leidenschaft
dabeisein. Alle Leute müssen begreifen, daß man zickig sein muß, daß man aber an die Szene glaubt und eine Vision ha-
ben muß. Ansonsten kann man es aufs Geldverdienen reduzieren: So schnell es geht, möglichst viel Geld aus dem Ganzen
ziehen. Entweder einen Deal mit einer Plattenfirma machen und denen dein Label verkaufen und nichts mehr machen, oder
ganz viele junge Bands unter Vertrag nehmen und sie mit 'nem Verlagsvertrag knebeln Eure nächsten drei Platten sind bei
mir. Nur dadurch entsteht nichts Neues, und das geht jetzt vielen Leuten auf.

Sind das Mechanismen, die dazu beitragen, eine gewisse Internationalität deutscher Bands zu verhindern?

Nein. Du kannst nur international werden, wenn du eine eigene Identität besitzt. Kunst überzeugt das Ausland nur, wenn sie
etwas Spezifisches hat. Kraftwerk oder Einstürzende Neubauten halben sehr radikal versucht, etwas Eigenständiges zu ma-
chen. Du kannst dir das Selbstbewußtsein nur reinprügeln, und das mußt du in Deutschland um so mehr, weil sie alle an dir
rumnörgeln. Die Deutschen mögen es ja nicht, wenn jemand über das Normale, das Heitere, die Mittelklasse hinausgeht.
Als Künstler mußt du aber deine Persönlichkeit rauskitzeln, und das dauert. Hör dir mal meine ersten Platten an, da denkst
du, was singt der denn da. Aber ich glaube zumindest, daß es sich bei mir irgendwo hinentwickelt.

Geben denn Plattenfirmen jedem soviel Zeit?

Das ist der Punkt. Wird dir die Zeit von der Öffentlichkeit, von den Medien gegeben? Bist du überhaupt in der Lage, künst-
lerisch zu experimentieren? Oder bist du vielleicht out? Die Medien schreiben gerade in Deutschland schnell und gern: Klas-
se, den können wir endlich vergessen, der ist gescheitert, anstatt: Mir gefällt an der Platte dieses und jenes nicht, aber ich
achte den Mann in seiner musikalischen Potenz. So jemand wie Falco: Man kann über ihn sagen, was man will, aber er hat
ja schon mal etwas Eigenständiges gemacht. So einen kann man doch nicht kaputtschreiben! Kritik und eine gewisse Form
der Häme ist okay, aber dieses Kaputtschreiben nagt unglaublich am Selbstbewußtsein. So etwas gibt es in anderen Län-
dern nicht. In England zerreißen sie dich, und nach einem Jahr stellst du fest, daß sie gar nicht so unrecht hatten, aber sie
würden dich nicht fallenlassen. Die gehören dazu, sehen sich als Lupe von außen und als Förderer des ganzen Dings.

Also unterstützen die Medien das Umdenken auf der Künstlerseite unzureichend?

Wenn das FACHBLATT solch eine Ausgabe macht, dann ist ja schon ein gedanklicher Ansatz da. Aber es muß Kontinuität
haben. Allgemein weil gerade auch im Radio nichts passiert unterliegen die Leute aber einer Unterinformation. Die kaufen
Westernhagen und Grönemeyer und denken, sie hätten damit das Zentrum der deutschen Szene gekauft.

Woran liegt es, daß Dance Music aus Deutschland wesentlich erfolgreicher im Ausland läuft?

Weil die unverkrampfter rangehen. Früher sicherte man sich ab was auch meine Tradition ist , indem man sehr politisch
sang. Die ganzen Suverkrüps und Degenhards. Wenn schon deutsch, dann aber hieb und stichfest politisch. Dann kamen
Lindenberg, Nina Hagen und die Neue Deutsche Welle, die das umdrehten: wenn schon deutsch, dann am besten gar keine
Sprache DA DA DA. Dann kam die Zeit, in der man überlegte, deutsche Sprache singbar zu machen, ohne einerseits zu
platt und andererseits nicht zu politisch zu sein. Über dem Ganzen lag immer ein Hauch von Krampf. Wir haben mit der
Sprache förmlich gekämpft, auch wenn du meine Platten hörst. Jetzt nach zehn Jahren sind wir an einem Punkt, wo wir auch
der Sprache gegenüber gelassener geworden sind. Hingegen besitzt die Dance Music von jeher eine viel größere Lässigkeit,
der Zugang dazu ist viel anarchischer und spaßiger. Ich habe ja auch Remixe machen lassen, weil mich dieses Lustprinzip,
das schon in der Neuen Deutschen Welle da war, reizte. Allerdings muß man sich diese Haltung, wenn man komplexe Tex-
te schreiben möchte, wieder erkämpfen. Aber dieser entspanntere Zugang ist jetzt da.

Hat das auch mit dem Aufkeimen einer deutschen HipHop Szene zu tun?

Natürlich. Die stellen sich ja der Sprache, im Gegensatz zur NDW, die sich der Sprache nicht gestellt hat. Sie hat sie zwar
sehr gut entschlackt, aber nivelliert, während die HipHopper sie auch entschlacken, aber komplexe Sätze unterbringen. Ich
versuche, den Texten nicht nur Inhalt abzugewinnen, sondern ich muß mit der Sprache auch singen können.

Es muß klingen ...

Genau. Und das kann nicht immer inhaltsschwanger sein. Damit können HipHopper oder Dancefloor Leute viel befreiter um-
gehen, weil die lange nicht so traditionsbeladen sind und dieses "Bist du jetzt KPWML oder Aufgehende Sonne?" aus den
70er Jahren gar nicht kennen.

Macht sich denn diese Lockerheit auf der Musikerseite auch auf Plattenfirmenseite bemerkbar?

Ich glaube, daß viele Plattenfirmen festgestellt haben, daß viele HipHop Bands gar nicht mehr mit solch einem Moloch arbei-
ten wollen, weil sie es einfach öde finden und lieber zu 'nem hippen Typen mit Büro im Hinterhof gehen. Genau das führt ja
dazu, daß Plattenfir-men diesen Bereich auslagern und gar nicht mehr versuchen, selbst Talente zu finden. Die bauen lieber
Kontakte zu kleinen Indies auf, lassen die alles selber machen, garantieren denen ein Budget und machen nur den Vertrieb.
Dahin wird der Trend gehen.

Bleibt zu hoffen, daß die große Industrie behutsamer vorgeht als zu Zeiten der NDW, wo ja noch schlechteste Bands
vermarktet worden sind.


Das wird auch immer wieder passieren. Ich denke aber, daß das Selbstbewußtsein der Bands und dieser kleinen Indies we-
sentlich größer ist als vor zehn Jahren. Und nur mit diesem Selbstbewußtsein und dem Wissen darum, was du hast, kannst
du etwas verteidigen. Damals hatte ja kaum einer Ahnung vom Geschäft. Sich durch den ganzen Sumpf zu kämpfen und zu
wissen, wie wird wo betrogen, das dauert seine Zeit. Bei meinem ersten Vertrag habe ich vier Prozent gekriegt; die Intercord
freut sich heute noch über meine Platten, die sie verkauft; die verdient sich blind und blöd. Und in der Beziehung sind die
Amerikaner oder Engländer eben noch viel weiter.

Welchen Tip würdest du der "next generation" geben?

Sich nicht blenden lassen von irgendwelchen Produktionssummen und Marketingetats, sondern es muß immer durchschei-
nen, daß man länger an einen glaubt. Plattenfirmen gaukeln den Leuten gerne über hohe Garantien oder Einstiegssummen
vor, daß sie an einen glauben, aber im Grunde ist das eine "hire & fire" Mentalität. Durch die Verrechenbarkeit ist das so-
wieso alles absurd. Worauf ich achten würde, das sind gute Arbeitsbedingungen, nicht teuer, aber langfristig. Lieber weniger
Geld im Vertrag, aber dafür eine Laufzeit über drei Platten. Man sollte sich selbst auch nicht überschätzen. Man muß un-
glaublich viel lernen, und es dauert, bis man die Leute gefunden hat, mit denen man arbeiten kann. Deshalb ist die Langfris-
tigkeit sehr wichtig, natürlich mit der Möglichkeit, den Vertrag beidseitig aufzulösen nicht daß die Firma diktiert, wann man
aussteigt. Bei meinem Vertrag kursieren die wahnnsinnigsten Summen, aber ich habe überhaupt keine hohen Garantien,
sondern eine hohe prozentuale Beteiligung. Ich zahle für nichts, es gibt auch nichts, was verrechnet wird, kriege allerdings
auch vorab nicht viel Geld von der Plattenfirma. Aber dadurch habe ich immer die Freiheit, uneingeschränkt kreativ arbeiten
zu können. Ich bestimme, wie lange ich arbeite und wie teuer ich arbeite. Und diese Freiheit kaufen sie dir gerne ab. Man
unterschätzt da manchmal auch seine eigene Korrumpierbarkeit. Und plötz-lich stehst du unter so einem Druck, daß dich
schon der Pförtner schief anguckt. Deshalb muß man ihnen sagen: lieber klein, aber langfristig. Plattenfirmen sind nicht
immer Freunde, sondern in erster Linie Geschäftspartner. Unter dieser Prämisse kann man gut mit ihnen arbeiten.